kunstblog1 2015

Jeden Monat eine neue Idee

Ab Januar 2015 beteiligte ich mich am "kunstblog1", einer Aktion von Stephan Geisler, Bochum. Jeden Monat gab es eine neue Aufgabenstellung und die Ergebnisse wurden in einem gemeinsamen Blog ins Netz gestellt. Meine ersten Arbeiten entstanden im Januar.

Das Thema für den ersten Monat trug einen verblüffenden Titel: "10 x 10 x 10(cm)". Das ist, wie unschwer zu erkennen, eine Maßangabe und bezeichnet einen Würfel mit dem Rauminhalt eines Kubikdezimeters. Da hineinpassen entweder Zettel in dieser Größe oder 10 cm breite, aufgerollte Streifen.

 

Auf den ersten Blick ein seltsamer Titel, hinter dem folgende Idee steckte:

Wie wäre es, wenn wir ein riesiges Raumschiff ins Universum schickten? Angefüllt mit Botschaften der Menschheit an intelligente Lebewesen anderer Welten. Jeder Mensch sollte eine eigene, einzige Botschaft senden dürfen, die aber, damit alles ins Schiff passt, ihrerseits in einem 10x10x10 Zentimeter großen Würfel Platz finden muss.

Hier die sechs Abschnitte des über 1,20 Meter langen Leinwandstreifens, den ich zuerst auf die Reise schickte (und ein Foto des Päckchens insgesamt und aufgerollt).

 

 

Aliens Kunst erklären?

 

Zunächst ging ich vorsichtig zu Werke. Über einen Meter lang ist der bebilderte, 10 cm breite Leinwandstreifen, der als erstes eingerollt auf die Reise geschickt wird. Sein spärlicher Text: „art ist= ? bilder und töne, worte, die auch fremde verstehen.“ Etwas zaghaft, der erste Versuch. Aber: Wie erklärt man Kunst, die vielen Menschen unerklärlich scheint, einem Alien aus der Nachbargalaxie?

Wissen wir, was wir tun? Müssen wir immer alles tun, was möglich ist? Wem schicken wir da freundliche Signale? Wen machen wir auf uns aufmerksam? Verstehen sie uns, die Fremden? Wir denken, sie sind weit fort, aber vielleicht sind sie näher als wir glauben.

Und wenn sie uns ähnlicher sind als wir denken?

Wir sollten überlegen, was wir uns wünschen.

 

Noch ein Versuch

 

Regelwidrig gibt es noch eine zweite Botschaft in einem intergalaktischen Päckchen, ebenfalls 10 x 10 x 10 cm groß, mit 31 Zeichnungen, Collagen, Text- und Notenfragmenten und der folgende Brief:

An einen Fremden

 

Wenn du dies liest, ist meine Zeit schon abgelaufen,

der Ort, wo ich lebte, längst verschwunden:

ein blauer Planet, der um seine Sonne kreist ,

heute bevölkert von Milliarden meiner Art.

Schau, ist er noch da und welche von uns?

 

Ich schicke Skizzen aus der Mappe der Erinnerung.

Szenen, Fundsachen, Begegnungen,

Kinderlachen, eine Melodie, nutzlose Ideen,

ein Imbiss, der nicht satt macht, Augenzwinkern,

zum Abschied betropft mit ein paar Tränen.

 

 

Bild Zettel mit kleinen Kunst-Botschaften

Im Februar: Arachne

 

Die Arachne-Sage stammt aus dem antiken Griechenland und schildert den Konflikt zwischen der Göttin Athene und der begabten, rebellischen Arachne. Als talentierte Weberin ist diese berühmt, besiegt sogar die Göttin in einem Wettstreit, zu dem sie die Tochter des Zeus herausgefordert hat. Athene rächt sich, indem sie Arachne in eine Spinne verwandelt: „Nun musst du und deine Nachkommen auf ewig spinnen und weben.“ (Schlechte Verlierer gibt es auf höchster Ebene.)

 

Netze werden rund um den Globus heute auf vielfältige Weise gesponnen: schöne, bedrohliche, rettende, beengende, alles ist dabei.  Begabte Spinner riskieren es mit selbstbewusstem Auftreten immer noch, Ärger mit den Mächtigen zu bekommen. Obwohl die auch Netzwerke lieben, weil sie ihnen zu ihrem Fortkommen verhelfen.

 

Die Biologie ließ sich von der Geschichte inspirieren. Noch heute ist der wissenschaftliche Name der Klasse der Spinnentiere „Arachnida“. In romanischen Sprachen sind die Spinnen nach der selbstbewussten Künstlerin benannt: „araignée“ im Französischen, „araňo“ im Spanischen und „ragno“ im Italienischen.

Bild "Menschenspinne" im "www"...
Das ist ein Netz, in dem wir uns selbst verstricken und andere einfangen. Jeden Tag wieder. Das hätte sich selbst Arachne nicht träumen lassen. Zeichnung/Collage
Bild Globus mit Netz-Gardine
Global vernetzt, mal sehr direkt in Szene gesetzt. Oder doch nur versponnen? Installation mit Globus und Tüllnetz.
Bild Pavillon im oliv Stoffnetz
Deja vu? Falls Sie beim Betrachten irgendwelche Bilder assoziieren, die schon mal um die Welt gingen - das ist nur ein Gartenpavillon, eingewickelt in einen ehemaligen Nato-Fallschirm, ausgemustert, weil kaputt.
"The Great Wall": Die Chinesische Mauer ist ein Stück Geschichte; die chinesische Firewall, staatlich verordnet, ein Stück Gegenwart im weltweiten (Informations-)Netz. Installation,  überarbeitetes Foto.
"The Great Wall": Die Chinesische Mauer ist ein Stück Geschichte; die chinesische Firewall, staatlich verordnet, ein Stück Gegenwart im weltweiten (Informations-)Netz. Installation, überarbeitetes Foto.

März: Drei Dimensionen

 

Die dritte Aufgabe hieß „Drei Dimensionen“. Das ist nach klassischem Kunstverständnis Arbeitsfeld von Bildhauern und Plastikern. Sich als MalerIn oder ZeichnerIn neben der Darstellung von Breite und Höhe auch noch an die Tiefe zu wagen, wie es bei einem Wandrelief der Fall ist, bedeutet auf jeden Fall eine Herausforderung.

 

Bild Zwei Hunde vor Zaunlücke
Schauen lieb drein, die zwei weißen Riesen. Aber wer weiß... Malerei, Installation.

 

Die Zaunlücke

 

ist Thema des ersten Bildes. Das ist der Albtraum jedes Hundephobikers: zwei große Hunde hinter einem Zaun – und darin klafft eine Lücke. Die echten Zaunlatten liefern das plastische Element; die Beschädigung der Drahtverbindung hat das Loch verursacht. Und das wiederum verursacht ein mulmiges Gefühlt bei Passanten. Obwohl, die Wirklichkeit sieht noch anders aus: Der Zaun braucht keine Lücke, damit die Hunde ihn überwinden können. Er ist zu niedrig. Die beiden können mühelos darüber hüpfen.

 

Bild Frrau mit Handtasche
Diese Handtaschenbesitzerin macht kein Geheimnis aus dem, was innen steckt. Malerei, Papiercollage, Stoff, Installation mit Tasche und Objekten.

 

Secrets dévoilés

 

ist französisch und heißt „enthüllte Geheimnisse“. Wenn Männer darüber rätseln, was alles in Damenhandtaschen stecken mag, Eine transparente Tasche auf diesem Bild zeigt glasklar, was in ihr steckt. Und das sieht so aus, dass man sich hinterher noch mehr Fragen stellt als zuvor. Dreidimensionale Realität kann ganz schön gruselig sein. Besser nicht zu genau hinsehen...

April: Chewing Gum

Kaugummi...

...was lässt sich alles daraus machen? Man könnte es unbenutzt als Material verwenden, zusammenkleben, stapeln, prägen, übermalen. Oder es genüsslich zerkauen, dann anschauen und auf Inspiration hoffen. Ich wählte die zweite Methode.

Bild Fliegende Kaugummivögel
Was von den Kaugummis übrig blieb, erlebte eine Verwandlung ins Vogeldasein, angetan mit Flügeln vom Ahornsamen. Überarbeitetes Foto einer Installation.

 

flying gums

 

einst waren wir bäume /

nach vielen metamorphosen/

geschmeckt, zerkaut, verwandelt/

lieh uns ein bergahorn seine flügel./

wir fliegen, bis wir fallen, vergehen/

und eines tages neue bäume/

aus unseren atomen wachsen.

 

Mai: An apple a day keeps the doctor away

Das Mai-Thema dreht sich gleich mehrfach um die Fragen der Gesundheit bzw. des Gegenteils, der Krankheit. Schafft man es mit gesundem Essen, sich so fit zu halten, dass man auf Arztbesuche verzichten kann?

Bild Krankenhausfrühstück mit bunten Pillen
Freühstück im St. Johannes-Hospital - in diesem Fall kein spezielles Krankenhaus, sondern ein fiktiver Ort. Zeichnung in Mischtechnik.

 

An Apple a Day keeps the Doctor away“ …

war das Mai-Motto des Kunstblogs 1. Dass ein Apfel allein pro Tag uns immer gesund hält, glaube ich nicht. Aber wenn man die beliebteste Frucht der Deutschen als Synonym für gesundes, natürliches Essen betrachtet, könnte er sicher einen Beitrag zu unserem Wohlbefinden leisten. Genießt man den Apfel pur und roh, und nicht in Form von Apfeltorte mit Sahne, macht er auch nicht dick.

Was die Begegnung mit dem Doktor angeht, die wir gern vermeiden, so geht es wohl eher darum, das Kranksein zu vermeiden. Denn normalerweise sucht man deswegen einen Arzt auf.

Mein Beitrag zu dem Thema heißt:

 

Breakfast at St. Johns'

– kein Glamour, schon gar nicht wie bei Tiffany, stattdessen wenig Verlockendes, lauwarmer Kaffee und viele bunte Pillen. Einziger Lichtblick: ein Apfel.

Krank sein ist selbst, wenn man nur zu Hause im Bett bleiben muss, nicht lustig.

Über einen Krankenhausaufenthalt freuen sich die meisten noch weniger. Ich war eigentlich nur zum Kinderkriegen dort und heilfroh, als ich mit dem Nachwuchs die Heimfahrt antreten konnte. Vielleicht lag es auch daran, dass ich bei diesen Gelegenheiten nicht ein bisschen krank war.