Eine Idee, ein Bild, so fängt es an
Eine gezeichnete Geschichte kann mit der Idee zu einem einzigen Bild anfangen. Oben steht eine Frau vor dem Eingang zu einer uralten Wehrburg und scheint zu zweifeln, ob sie und ihre Begleitung willkommen sind. "Meinst du, hier wartet jemand auf uns?"
Das könnte der Beginn eines aufregenden Abenteuers sein.
Unter dem Motto "Die Luft ist raus" - symbolisiert durch einen schlappen Luftballon in Rot - stand 2009 der Wettbewerb um den "Karnickel-Kunstpreis" der Stadt Waltrop. Da in diesem Jahr bereits durch die Immobilien-Blase und andere künstlich aufgepumpte Wirtschaftszweige die Ökonomie der Welt genauso schlapp machte wie der Ballon ohne Luft, erzählte ich dazu die passenden Geschichten auf beiden Seiten eines Leporellos. Einmal geht es um Aufstieg , Höhenflug und Absturz der Automobil-Produktion, das andere Mal um Häuser für Menschen, vom einfachen Dach über dem Kopf bis zum Wolkenschloss - und auch um die Katastrophen, ob durch die Natur oder den Menschen selbst gemacht, durch die wir obdachlos werden.
Das Thema war 2009 genau so aktuell wie heute. Wirtschaftskrisen, Naturkatastrophen und Kriege machen heute mindestens ebenso viel Sorgen. Eine Abwrack-Prämie wie damals zur Ankurbelung des Autokaufs würde kaum noch etwas ändern.
Für viele Menschen, die wegen eines Krieges aus ihrer Heimat fliehen mussten, wäre so eine kleine Hütte, vor der das junge Paar links steht, schon die Rettung. Sie müssen sich oft mit Zelten
begnügen. Angesichts so vieler Schrecknisse erscheint es schwer, optimistisch zu bleiben.
Mein 16-Seiten-Leporello erhielt den dritten Platz beim eigentlich heiter gemeinten Karnickel-Kunstpreis, obwohl es gar nicht so heiter ist.
So bunt und voller Geheimnisse wie er in meiner Kindheit war, wird mein Garten niemals mehr sein können. Mein Garten, das war jeweils ein Eckchen in den Gärten der Großeltern, wo es natürlich viel mehr gab, Hühner und Kaninchen, Obstbäume und Sträucher, Gemüsebeete, Erdbeeren und Blumen in allen Farben. Ich erinnere mich an die Bank mitten im rot-grünen Feuerbohnen-Dschungel, von der aus ich in den Sommerhimmel schauen und mir Geschichten ausdenken konnte. In dieser Welt lebten alle Helden aus meinen Märchenbüchern, z. B. der Mäusekönig, der links auf dem Popup wieder erstanden ist.
In meinem Gärtchen neben dem Sitzplatz gab es einen kleinen Teich. Den wollte ich unbedingt haben. Meine Großmutter stiftete mir eine runde Schüssel, die ich mitten zwischen Kapuzinerkresse und Ringelblumen eingrub. Das Wasser darin holte ein Stückchen Himmel auf die Erde, wie der magische Spiegel, der in einem Märchen aus dem Orient eine Rolle spielte. Außerdem hoffte ich auf den Besuch eines Frosches. Es hätte gar kein verzauberter Prinz sein müssen, ein gewöhnlicher hätte gereicht. Aber es ließ sich keiner blicken. Vielleicht flüchteten sie auch nur, wenn wir in den Garten gingen.
Die Geschichte von den Zauberbohnen, die in den Himmel wachsen, schien mir gar nicht so unwahrscheinlich. Die Feuerbohnen, die mein Großvater an Rankgerüste rund um den Sitzplatz setzte, wuchsen auch recht schnell hoch, verbargen die Welt ringsum und legten im Sommer Schatten über Tisch und Bänke.
Da saß ich dann mit Papier und Zeichenstiften oder las in meinen Märchenbüchern. Der Garten war ein paradiesischer Ort. Unkraut jäten musste ich als Kind nie; zum Johannisbeer- und Erdbeerpflücken meldete ich mich aber freiwillig.
Bei den Großeltern mütterlicherseits gab es nicht nur Hühner und Kaninchen, sondern auch jedes Jahr wieder im Frühjahr eine neue Vogelscheuche, selbst gebaut. Ich weiß nicht, ob sie wie die Vogelscheuche im "Zauberer von Oz" unglücklich war, nur Stroh im Kopf zu haben, aber Spaß gemacht hat die Aktion mir jedes Mal. Auch wenn kein Vogel Angst vor ihr hatte - ohne sie war das Erdbeerfeld nicht in Ordnung.
Die Großeltern väterlicherseits verzichteten auf solche Traditionen und Kleintiere. Dafür hatten sie einen großen Hund, den ich sehr mochte.